Einzelne Forschungsarbeiten rund um die Software Engineering-Lehre

Bei Eye-Tracking handelt es sich um eine Technologie, die es Forscherinnen und Forschern erlaubt, die Augenbewegungen einer Versuchsperson in einer bestimmten Situation zu beobachten und zu analysieren. Am Standort Regensburg wurden dabei vorrangig die Augenbewegungen, in verschiedenen Phasen der Softwareentwicklung untersucht. Das Spektrum erstreckt sich dabei von der Erstellung von Requirements über die Durchsicht von UML-Diagrammen bis hin zur Durchführung von Code Reviews. Ergänzend dazu wurde an theoretischen Grundlagen zur Auswertung und Interpretation von Augenbewegungen im Software Engineering gearbeitet.
Im Kontext der Expertiseforschung wurden am Standort Regensburg mittels Eye-Tracking vor allem Aspekte der visuellen Expertise von Softwareingenieuren, sowie die die damit assoziierten Informationsaufnahme- und Verarbeitungsprozessen erforscht. Weiterhin wurde untersucht, wie die erlangten Erkenntnisse didaktisch in Form von sogenannten Eye Movement Modeling Examples eingesetzt werden können.
Literatur:
- Gegenfurtner, A., Boucheix, J.-M., Gruber, H., Hauser, F., Lehtinen, E. & Lowe, R. K. (2018). Der Gaze Relational Index als Indikator visueller Expertise. Paper presentation at the Conference of the Deutsche Gesellschaft für Psychologie (DGP). Frankfurt, Germany.
- Gruber H., Wolff C., Mottok J., Bazo A., Hauser F., and Schreistetter S. (2020). Tutorial on Software Engineering Education in co-located multi-user eye-tracking-environments. Paper accepted for the IEEE CSEE&T. Munich, Germany.
- Hauser, F., Gegenfurtner, A., Hutzler, I., Reuter, R., Gruber, H., Holmqvist, K. & Mottok, J. (2018). Eye movement patterns in source code review. An eye tracking study. Paper presentation at the EARLI SIG 17 and 25. Cambridge, United Kingdom.
- Hauser, F., Mottok, J. & Gruber, H. (2018). Eye tracking metrics in software engineering. In Proceedings of the ACM European Conference on Software Engineering Education (ECSEE), pages 39-44. Seeon, Germany, June 2018. F. Hauser, and J. Mottok. Eye movement patterns im Software Engineering. Forschungsbericht OTH Regensburg 2018, pages 48-49. Regensburg, Germany.
- Hauser, F., Reiß, M., Nivala, M., Mottok, J. & Gruber, H. (2017). Eye Tracking Applied: Visual Expertise in Code Reviews, Proceedings of EDULEARN17 Conference, pages 379-389, 3rd-5th, Barcelona.
- Hauser, F., Reuter, R., Gegenfurtner, A., Gruber, H. & Mottok, J. (2019). Eye movements in software modelling – what do they tell us about heuristics. November 2019.
- Hauser, F., Reuter, R., Gegenfurtner, A., Gruber, H., Mottok, J. & Hutzler, I. (2019). Heuristics in Software Modelling: An Eyetracking Study. Earli Book of Abstracts. Retrieved from https://earli.org/sites/default/files/2019-09/BOA-2019.pdf.
- Hauser F., Schreistetter S., Reuter R., Mottok J., Gruber H., Holmqvist K., and Schorr, N. (2020). Code reviews in C++: Preliminary results from an eye tracking study. In the proceedings of the ACM EMIP. Stuttgart, Germany, pp. 1-5, June 2020 https://doi.org/10.1145/3379156.3391980.
- Hutzler, I., Hauser, F., Reuter, R., Mottok, J. & Gruber, H. (2018). Will the noun/verb analysis be used to generate class diagrams? An eye tracking study. Submitted to the IATED International Conference of Education, Research and Innovation (ICERI). Seville, Spain.
- Nivala, M., Hauser, F., Jossberger, H., Reiß, M., Mottok, J. & Gruber, H. (2017). „Detecting errors in program flow diagrams: Comparing novices and advanced programmers,“ presented at the 17th EARLI-conference, Tampere, Finland.
- Reuter, R., Langer, T., Hauser, F., Muckelbauer, D., Gegenfurtner, A. & Mottok, J. (2019). Automatic generation of areas of interest in eye tracking: The case of software engineering. Earli Book of Abstracts. Retrieved from https://earli.org/sites/default/files/2019-09/BOA-2019.pdf.
Eye Movement Modeling Examples (EMMEs) sind dem theoretischen Rahmen der „worked examples“ zuzuordnen und stellen eine besondere Art der videobasierten Modellierung dar.
Worked examples präsentieren dem Lernenden ein schriftliches Ideal, beziehungswiese ein didaktisch aufbereitetes Problemlöseverhalten. So wird ein Weg aufgezeigt, wie Lernende ein Problem angehen können (Van Gog & Rummel, 2010). Lernen mit worked examples erlaubt es den Lernenden, alle ihre kognitiven Ressourcen auf das Erlernen des Problemlöseprozesses zu lenken (Sweller, J., 1988).
EMMEs stellen dabei eine besondere Variante der mediengestützten, beziehungsweise videobasierten worked examples dar. Zunächst wird eine Bildschirmaufnahme eines Experten, welcher eine Aufgabe an einem PC bearbeitet, angefertigt. Zusätzlich werden die Augenbewegungen des Experten während des Bearbeitens mithilfe eines Eye Trackers aufgezeichnet. Anschließend werden die Augenbewegungen des Experten über die Bildschirmaufzeichnung gelegt, sodass ein Video entsteht, in welchem der Punkt an den der Experte blickte, hervorgehoben wird (vgl. Jarodzka & Kollegen, 2012).
Bisherige Forschungsergebnisse zeigten zum Einen eine Steigerung der Performanz und zum Anderen, dass Lernende, die EMMEs sahen, früher und länger auf wichtige Bereiche blicken (vgl. Jarodzka & Kollegen, 2012).
Um zu evaluieren, ob EMMEs auch Studierenden im Software Engineering bei der Erstellung von UML Diagrammen als Unterstützungsmöglichkeit dienen können, wurde am Standort Regensburg eine Studie durchgeführt. Es wurde ein EMME Video erstellt, in welchem eine Expertin ein UML Sequenzdiagramm erstellt und ihre Blickbewegungen sichtbar gemacht wurden. Anschließend wurde gemessen, ob die Studierenden qualitativ hochwertigere UML Sequenzdiagramme erstellen konnten, ob deren kognitive Belastung während des Betrachtens der Videos geringer war und ob sich deren Blickverhalten während des Modellierens änderte.
Literatur:
- Jarodzka, H., Balslev, T., Holmqvist, K., Nyström, M., Scheiter, K., Gerjets, P. & Eika, B. (2012). Conveying clinical reasoning based on visual observation via eye-movement modelling examples. Instructional Science, 40(5), 813–827. https://doi.org/10.1007/s11251-012-9218-5.
- Sweller, J. (1988). Cognitive load during problem solving: Effects on learning. Cognitive Science, 12(2)257–285. https://doi.org/10.1016/0364-0213(88)90023-7.
- Van Gog, T., & Rummel, N. (2010). Example-based learning: Integrating cognitive and social-cognitive research perspectives. Educational Psychology Review, 22(2), 155–174.https://doi.org/10.1007/s10648-010-9134-7.
Software Engineering ist von sehr abstrakter und komplexer Natur, weswegen die Lehre des Software Engineering in der Hochschulbildung eine große Herausforderung darstellt (Balzert & Balzert, 2009). Obwohl induktive Lehr- und Lernmethoden seit mehreren Jahren in der Lehre Anwendung finden, gibt es nur wenig Forschung zu Lernhindernissen bzw. zur Klassifikation dieser.
Reuter & Kollegen (2017) leiteten einerseits eine Lernhindernisklassifikation auf Basis der Cognitive Load Theory (Sweller, J., 1994) und Lernstrategien (Weinstein, C. E. , Mayer, R.E., 1983) ab und identifizierten außerdem Hindernisse in der Software Engineering-Lehre. Lernhindernisse von Studierenden wurden definiert als Hindernisse, die auf irgendeine Art und Weise vom Lernen abhalten. Die theoretisch identifizierten Kategorien beziehen sich auf emotionale, epistemologische, didaktische, ressourcenbezogene und metakognitive Hindernisse (Reuter & Kollegen, 2017).
Um die Lernhindernisse spezifisch bei Software Engineering-Studierenden ausfindig zu machen, wurde ein Fragebogen konstruiert, der ebendiese misst. Da der Fragebogen MSLQ („Motivated Strategies for Learning Questionnaire“ von Pintrich, P. R. & Kollegen (1991) auf denselben theoretischen Annahmen wie die identifizierten Lernhinderniskategorien besteht, wurde dieser zur Evaluation ausgewählt und entsprechend adaptiert. Die Ergebnisse dieser Fragebogenstudie zeigten, dass sich die Items des adaptierten MSLQ klar den Dimensionen der didaktischen, der emotional/motivationalen und der metakognitiven Lernhindernisse zuordnen lassen. Einige Items ließen sich auch den epistemologischen und ressourcenorientierten Lernhindernissen zuordnen, allerdings weniger eindeutig (Reuter, 2018).
Zu den Lerninhalten, die Studierenden in einer Befragung die größten Probleme bereitet haben, zählen, die Implementierung, Design Pattern und Konfigurationsmanagement (Reuter, 2018).
Literatur:
- Balzert, H., & Balzert, H. (2009). Was ist Software? (H. Balzert, Hrsg.), Lehrbuch der Softwaretechnik: Basiskonzepte und Requirements Engineering (3. Aufl.). Heidelberg: Spektrum. https://doi.org/10.1007/978-3-8274-2247-7_1.
- Illeris, K. (2003). “Towards a contemporary and comprehensive theory of learning,” International journal of lifelong education, vol. 22, no. 4, pp. 396–406. Weinstein, C. E., Mayer, R.E. (1983). “The teaching of learning strategies.” in Innovation abstracts, vol. 5, no. 32. ERIC.
- Pintrich, P. R. & Kollegen (1991).“A manual for the use of the motivated strategies for learning questionnaire (mslq).” National Center for Research to Improve Post secondary Teaching and Learning, Tech. Rep.
- Reuter, R., Hauser, F., Gold-Veerkamp, C., Mottok, J. & Abke, J. (2017). Towards a Definition and Identification of Learning Obstacles in Higher Software Engineering Education. EDULEARN17 Proceedings, 1(July), 10259–10267.
- Reuter, R., Hauser, F., Gold-Veerkamp, C., Stark, T., Kis, J., Mottok, J., Abke, J. & Meyer, D. (2018). Towards the construction of a questionnaire for the identification of learning obstacles. IEEE Global Engineering Education Conference, EDUCON, 2018-April, 457–466.
- Sweller, J. (1994). “Cognitive load theory, learning difficulty, and instructional design,” Learning and instruction, vol. 4, no. 4, pp. 295–312.
Um Software verstehen und kontrollieren zu können, es ist wichtig, diese zu modellieren (Booch & Kollegen, 1998). Die Unified Modeling Language (UML) bietet ein Vokabular und Regelungen zur Repräsentation eines Softwaresystems. Es gibt verschiedene Arten von UML Diagrammen, die unterschiedliche Perspektiven auf ein Softwaresystem visualisieren.
UML ist Bestandteil vieler Curricula von Universitäten, welche Software Engineering lehren. Eine Durchsuchung der öffentlich zugänglichen Modulkataloge der Hochschulen in Deutschland, welche Software Engineering beinhalten, zeigt, dass dort 60 dieser 100 Hochschulen auch UML lehren (Reuter & Kollegen, 2020).
Viele Studierende haben jedoch Probleme bei der Modellierung von Softwaresystemen mit Hilfe der UML, was hauptsächlich in der Komplexität begründet ist. Um feststellen zu können, wo genau Schwierigkeiten in der Lehre und im Lernen der Modellierung mit der UML entstehen, wurde am Standort Regensburg ein Problemkatalog entwickelt, der diagrammspezifische Probleme Studierender enthält. Dafür wurden die Probleme Studierende während des Modellierprozesses im Rahmen einer Beobachtungsstudie an den Standorten Coburg und Regensburg identifiziert.
Ergebnis dieser Studie ist ein Katalog, welcher die identifizierten Probleme und Schwierigkeiten der Studierenden bezüglich UML im Allgemeinen aber auch spezifisch für die verschiedenen UML-Diagrammtypen enthält.
Dieser Problemkatalog kann als Ausgangsgrundlage für die Erstellung von Lehr-Lern-Arrangements verwendet werden. Existierende Schwierigkeiten können damit bereits bei der Konzeptionierung adressiert bzw. berücksichtigt werden. Generelle inhaltliche Probleme bezogen sich unter anderem auf Entscheidungen bezüglich des Detailgrades und eines adäquaten Abstraktionslevels eines UML Diagramms. Weitere Probleme waren beispielsweise das Erkennen von Zusammenhängen bzw. Abhängigkeiten von einzelnen Diagrammtypen oder Verwechslungen in der Verwendung diagrammspezifischer Elemente, wie beispielsweise zwischen Use-Cases und Zuständen. Es wurden aber auch Schwierigkeiten in der Bedienung existierender komplexer Modellierungswerkzeuge festgestellt.
Literatur:
- Booch, G., Rumbaugh, J., & Jacobson, I. (1998). The Unified Modeling Language User Guide (A. Wesley (ed.)).
- Reuter, R., Stark, T., Sedelmaier, Y., Landes, D., Mottok, J. & Wolff, C. (2020). Insights in Students’ Problems during UML Modeling. EDUCON Proceedings, 592–600.
Augmented Reality (AR) ist nach P. Milgram und F. Kishino (1994) ein Teil des Mixed-Reality Kontinuums. Dieses Kontinuum beschreibt Realitäten auf einem Spektrum von „real“ bis „virtuell“ mit Zwischenstufen. AR ist darin als Erweiterung der realen Welt mit digitalen Inhalten definiert. Damit sind alle Arten digitaler Inhalte, also auch Audiosignale, haptisches oder olfaktorisches Feedback gemeint. Besondere Vorteile der AR liegen in der Visualisierung sonst nicht sichtbarer abstrakter Konzepte (Harley, J. M., 2012).
Akçayır & Akçayır (2017) und Bacca & Kollegen (2014) liefern bereits systematische Literaturreviews, die vielversprechende Ansätze zum Einsatz von AR in der Lehre listen. Dazu gehören verbesserte Lernergebnisse, gesteigerte Motivation, die Minderung des Cognitive Loads, und auch die Visualisierung unsichtbarer Konzepte, Ereignisse und abstrakter Konzepte. Eine steigende Anzahl an Publikationen zu AR im Lehreinsatz ist seit 2013 zu verzeichnen (Akçayır & Akçayır, 2017, S.4). Speziell für Software Engineering wurden die Vorteile zum Einsatz von AR in der Hochschullehre am Standort Regensburg von Muckelbauer & Kollegen (2018) evaluiert.
Bei der Modellierung eines Softwaresystems spielen Abstraktionsfähigkeiten (bzw. der Wechsel zwischen Abstraktion und Konkretisierung von Informationen) eine zentrale Rolle, die mit Hilfe von AR unterstützt werden können (Reuter & Kollegen, 2019). Dies wurde zurückgeführt auf die Möglichkeit fehlende Objekte für eine Problemstellung der Realität hinzufügen zu können (El Sayed, 2011) und so zunächst Unsichtbares sichtbar zu machen. Dies ist gerade für die Unterstützung in abstraktem Denken hilfreich (Reuter & Kollegen, 2019).
AR kann ebenfalls eingesetzt werden, um eine neue Art der Interaktion beispielsweise im Rahmen der Modellierung von Softwaresystemen zu bieten. Die Interaktionsmöglichkeiten unter Verwendung einer AR-Brille und der erweiterten Realität unterscheiden sich grundlegend von der klassischen Modellierung in 2D am PC (Reuter & Kollegen, 2019). So steht beispielsweise eine scheinbar größere Modellierungsfläche zur Verfügung. Außerdem scheinen dreidimensionale Objekte für Lernende attraktiver und motivierender zu sein und sind deswegen von Vorteil für deren Lernprozesse (Feijs, L. and De Jong, R., 1998).
Literatur:
- Akçayır, M., & Akçayır, G. (2017). Advantages and challenges associated with augmented reality for education: A systematic review of the literature. Educational Research Review, 20, 1–11. https://doi.org/10.1016/j.edurev.2016.11.002.
- Bacca, J., Baldiris, S., Fabregat, R., Graf, S., & Kinshuk. (2014). Augmented reality trends in education: A systematic review of research and applications. Educational Technology and Society, 17(4), 133–149. Abgerufen von http://www.jstor.org/stable/jeductechsoci.17.4.133.
- El Sayed, N. A. M., Zayed, H. H., & Sharawy, M. I. (2011). ARSC: Augmented reality student card An augmented reality solution for the education field. Computers and Education, 56(4), 1045–1061. https://doi.org/10.1016/j.compedu.2010.10.019.
- Feijs, L. & De Jong, R. (1998). “3d visualization of software architectures,” Commun. ACM, vol. 41, no. 12, pp. 73–78, Dec. DOI: 10.1145/ 290133.290151.
- Harley, J. M., Poitras, E. G., Jarrell, A., Duffy, M. C. &Lajoie, S. P. (2016). “Comparing virtual and location-based augmented reality mobile learning: emotions and learning outcomes,” Educ. Technol. Res. Dev., vol. 64, no. 3, pp. 359–388.
- Milgram, P. and Kishino, F. (1994). “A taxonomy of mixed reality visual displays,” IEICE Trans. Inf. Syst., vol. 77, no. 12, pp. 1321–1329.
- Muckelbauer, D., Knietzsch, M., Reuter, R. & Mottok, J. (2018). Experimental verification of indicated benefits of integrating augmented reality into academic software engineering classes. International Conference of Education, Research and Innovation, Seville, Spain.
- Redondo, E., Fonseca, D., Sánchez, A. & Navarro, I. (2013). “New strategies using handheld augmented reality and mobile learning-teaching methodologies, in architecture and building engineering degrees,” Procedia Comput. Sci., vol. 25, pp. 52–61.
- Reuter, R., Hauser, F., Muckelbauer, D., Stark, T., Antoni, E., Mottok, J. & Wolff, C. (2019). Using Augmented Reality in Software Engineering Education? First insights to a comparative study of 2D and AR UML modeling. Proceedings of the 52nd Hawaii International Conference on System Sciences, 6, 7798-7807.
- Reuter, R., Knietzsch, M, Hauser, F. & Mottok, J. (2019). Supporting Abstraction Skills Using Augmented Reality?. In Proceedings of the 2019 ACM Conference on Innovation and Technology in Computer Science Education (ITiCSE ’19). ACM, New York, NY, USA, pp. 320-320.
Die Expertiseforschung beschäftigt sich mit herausragenden Leistungen von Personen in einer bestimmten Domäne. Dabei wird untersucht, wie diese erbracht werden und welche Voraussetzung eine Person erfüllen muss, um Höchstleistungen vollbringen zu können. Expertise wird dabei als domänenspezifisch gesehen, da Wissen, Problemlösen und Handeln in authentischen, komplexen Kontexten im Fokus stehen.
Das Erreichen eines hohen Expertisegrades und der damit verbundenen Leistungsstärke setzt jahrelange, intensive und gezielte Beschäftigung mit den Aufgabenanforderungen in der jeweiligen Domäne voraus. In einer wegweisenden Studie von Ericsson, Krampe und Tesch-Römer (1993) werden diese Trainings- und Lernprozesse als deliberate practice bezeichnet. Diese Art des Übens wird oft durch Dritte (Lehrkräfte, Trainer/innen, Meister) initiiert und begleitet.
Die zentrale Methode der Expertiseforschung und Grundlage für zahlreiche Studien ist der quasiexperimentelle Experten-Novizen-Vergleich bzw. der Vergleich von Experten, Fortgeschrittenen und Novizen. Durch die Gegenüberstellung von Personen mit großen interindividuellen Differenzen im Expertisegrad sollen Unterschiede bzw. Ähnlichkeiten in kognitiven Strukturen und Informationsverarbeitungsprozessen in Abhängigkeit vom Expertisegrad identifiziert werden. Dies erlaubt unter anderem Aussagen über die Unterstützung von Lernprozessen in Abhängigkeit vom Expertisegrad.
Am Standort Regensburg gingen die Arbeiten bezüglich der Expertiseforschung meist in Kombination mit dem Bereich des Eye-Trackings einher. Dabei wurden jedoch auch Ziele der klassischen Expertiseforschung im Sinne von Ericsson, Krampe und Tesch-Römer (1993) verfolgt. Die durchgeführten Arbeiten zielten darauf ab, die Unterschiede zwischen Experten und Novizen bei der Bearbeitung bestimmter Aufgaben aus dem Software Engineering zu erfassen und deren Entstehung zu erkunden. Weiterhin sollten dem Expertiseerwerb förderliche Trainingsaktivitäten im Sinne des des von Ericsson et al. (1993) geschilderten delibarate practice identifiziert und hinsichtlich ihrer didaktischen Eignung überprüft werden.
Literatur:
- Ericsson, K. Krampe, R. & Tesch-Roemer, C. (1993). The Role of Deliberate Practice in the Acquisition of Expert Performance. Psychological Review.
- Gegenfurtner, A., Boucheix, J.-M., Gruber, H., Hauser, F., Lehtinen, E. & Lowe, R. K. (2018). Der Gaze Relational Index als Indikator visueller Expertise. Paper presentation at the Conference of the Deutsche Gesellschaft für Psychologie (DGP). Frankfurt, Germany.
- Gegenfurtner, A., Gruber, H., Lewalter, D., Lehtinen, F., Holmqvist, K., Khmelivska, T., Hauser, F. & Vermunt, J.D. (2020). Expertise in noticing: An eye-tracking study of pre-service teachers, in-service teachers, and school principals. Teaching and Teacher Education.
- Hauser, F., Reuter, R., Gruber, H. & Mottok, J. (2018). Research competence: Modification of a questionnaire to measure research competence at universities of applied sciences. In Proceedings of the IEEE Global Engineering Education Conference (EDUCON), pages 109-117. Santa Cruz de Teneriffe, Spain.
- Hauser, F., Reuter, R., Hutzler, I., Mottok, J. & Gruber, H. (2018). Eye movement patterns in software engineering – What differs the expert from the novice?. Submitted to the IATED International Conference of Education, Research and Innovation (ICERI). Seville, Spain.
- Hauser, F., Stark, T., Mottok, J. & Gruber, H. (2020). Deliberate practice in code reviews. How is it carried out by programmers?. In: Proceedings of the ACM ECSEE. Seeon, Germany, pp. 42-46. https://doi.org/10.1145/3396802.3396815.
In den letzten Jahren hat die IT-Sicherheit Einzug in die Lehre im Hochschulbereich erhalten. Es wird immer wichtiger, das Wissen über die Entwicklung sicherer Systeme (engl. secure software engineering) in die akademische Lehre zu integrieren. IT-Sicherheit und sicheres Software-Engineering wird allerdings noch selten an Studierende der Ingenieurswissenschaften vermittelt. Daher konzentrieren wir unsere Forschung am Standort Regensburg neben der Verbesserung der Lehre des klassischen Software Engineering auch auf die Integration von IT-Sicherheit in die Software-Engineering Ausbildung von Ingenieuren. Insbesondere Studierenden der Elektro- und Informationstechnik sollen diese Inhalte hier durch induktive Lehr- und Lernarrangements vermittelt werden. Da die Studierenden mittlerweile auch in ihrem täglichen Leben, beispielsweise durch die Medien, mit IT-Sicherheitsthemen in Kontakt kommen, entwickeln sie unterschiedliches Wissen und unterschiedliche Vorstellungen schon bevor sie ihr Studium beginnen. Aus konstruktivistischer Sicht können diese zuvor erworbenen Vorstellungen einen großen Einfluss auf Lernprozesse haben, da eine Person Vorwissen, Kompetenzen und Erfahrungen nutzt, um neues Wissen und neue Konzepte zu verbinden und aufzubauen (Arnold, R., 2010). Als Voraussetzung für die auf dem Konstruktivismus basierende induktive Lehre benötigen Lehrende daher Wissen über die Vorstellungen der Studierenden der Ingenieurwissenschaften in Bezug auf die Themen IT-Sicherheit und Secure Software Engineering. Ist den Lehrenden der unterschiedliche Stand des Vorwissens und der Vorstellungen bekannt, können Lernhindernisse minimiert werden, sowie zusätzliche Lerninhalte und entsprechende Lehrmethoden identifiziert werden.
Um diese Vorstellungen zu ermitteln, wurden an den Standorten Coburg und Regensburg in Kooperation mit dem Standort Aschaffenburg Leitfadeninterviews mit Studienanfängern der Ingenieurwissenschaften und der Informatik durchgeführt. Die Interviews enthielten unter anderem Fragen darüber, was die Studierenden über das Thema IT-Sicherheit und Secure Software Engineering bisher gehört haben. Dabei wurde ein erster Katalog von Vorstellungen der Studierenden in Bezug auf IT-Sicherheit und sichere Softwareentwicklung abgeleitet (Jahn & Kollegen, 2019).
Literatur:
- Arnold, R. (2010). “Konstruktivismus,” in Wörterbuch Erwachsenenbildung, Bad-Heilbrunn: Klinkhardt, pp. 173–175.
- Corbin, J. M., Strauss, A.L., (2015). Basics of qualitative research : Techniques and Procedures for Developing Grounded Theory, 4th ed. London: SAGE Publications.
- Jahn, S., Gold-Veerkamp, C., Reuter, R., Mottok, J., Abke, J. (2019) Secure Software Engineering in Academic Education: Students’ Preconceptions of IT Security, ICERI2019 Proceedings, pp. 6825-6834.
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