Teamdynamik in Forschungsprojekten besser verstehen

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Teamdynamik in Forschungsprojekten besser verstehen

rof. Dr. Jürgen Mottok (1. von links) mit dem Team des Software Engineering Laboratory of Safe and Secure Systems beim Forschercamp 2019, das alljährlich ein anderes Thema fokussiert. Foto: Tereza Bertholdová

Beim Forschercamp 2019 analysierte das Team des „Software Engineering Laboratory of Safe and Secure Systems“ persönliche Werte, Teamstärken und -schwächen und betrachtete ethische Herausforderungen der Digitalisierung.

„Wir wollen gemeinsam verstehen und voneinander lernen, welche Themen uns antreiben. Wir finden Raum und Zeit zum Verarbeiten. Wir suchen nach unserer Rolle und unseren Werten, die uns antreiben. Wir prüfen unsere Projekte. Wir bereiten eine Darstellung unseres Projektes auf. Wir zergliedern Problemräume, um Lösungen zu finden. Wir finden kreativ zu Ideen.“ Prof. Dr. Jürgen Mottok fasst zusammen, was das Team „Software Engineering Laboratory of Safe and Secure Systems“ (LaS3) prägt. Er leitet an der Ostbayerischen Technischen Hochschule Regensburg (OTH Regensburg) das an der Fakultät für Elektro- und Informationstechnik angesiedelte LaS3.

Auch 2019 fuhren die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zum alljährlichen Forschercamp, das vom 4. bis 5. Juli 2019 in der Schnitzmühle bei Viechtach stattfand. In diesem Jahr stellten sie das gemeinsame Arbeiten und die Werte des Miteinanders in den Mittelpunkt von zwei intensiven Tagen. Unterstützend wandten sie in den Workshops die Methoden des Werte- und Entwicklungsmodells nach Friedemann Schulz von Thun sowie die Teamrollen-Analyse von Meredith Belbin an.

Nachhaltig Performance sichern

Prof. Dr. Mottok fasst die Motivation, die Methoden einzusetzen, zusammen: „Wir wollen unsere Teamdynamik in den Forschungsprojekten besser verstehen. Denn um nachhaltig die Performance zu sichern, bedarf es einer multiperspektivischen Herangehensweise.“ Das Team folgte in drei konzentrischen Kreisen seinen Verhältnissen zwischen Ich (Schulz von Thun) und Wir (Belbin), um beim „Wir und den Anderen“ einen Blick auf soziale Verantwortung und ethische Herausforderungen für Ingenieurinnen und Ingenieure in einer zunehmend digitalisierten Welt zu werfen.

Das Wertequadrat verbildlicht weniger bewusste Korrespondenzen zwischen Werten. So lässt sich zum Beispiel „Zukunftsorientierung“ im Positiven mit „Gegenwartsorientierung“ paaren. Im Negativen korrespondiert dann „futuristisch“ mit „kurzsichtig“. Jedes Teammitglied verortete sich in vier, für die Teamarbeit wichtigen Begriffsfeldern und schätzte dann im Duett eine Kollegin oder einen Kollegen ein. Selbst- und Fremdwahrnehmung wurden nicht nur starr definiert, sondern auch mit Blick auf verschiedene Situationen überprüft.

Beobachten oder machen?

Der Belbin-Test adressiert gleichfalls das Individuum. Man bewertet vorgefertigte Antworten auf sieben Fragen mit Punktwerten. Acht Antwortmöglichkeiten sind acht Teamrollen zugeordnet, darunter „Beobachter/in“, „Macher/in“ oder „Perfektionierer/in“. Überträgt man die Werte in ein Koordinatensystem (Spider-Diagramm), erhält man ein Bild, das auf den ersten Blick zeigt, welche Teamrollen entwickelt oder ausgeprägt sind.

Die unterschiedlichen Forschungsteams haben daraufhin aus ihren individuellen Werten ein Team-Diagramm erstellt. Das diente der Erkenntnis sowohl der einzelnen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als auch der Lagebestimmung der einzelnen Forschungsprojekte. „Wer allein arbeitet, addiert. Wer zusammenarbeitet, multipliziert“, fasst Prof. Dr. Mottok zusammen. Die Ergebnisse spiegelten diese Einschätzung. Denn sie besitzen eine Kerneigenschaft, die Prof. Dr. Mottok, wie folgt, charakterisiert: „Diese Techniken sind inhaltsoffen und ohne einschränkende Vorgaben, indem sie jedem Teammitglied Raum und Zeit einer Selbstverortung gewähren.“

Verantwortungsvoll handeln

Zum Ende des Forschercamps informierte ein Radio-Feature des Bayerischen Rundfunks („Big Data – oder die Vermessung des Individuums“ von Gabriele Knetsch) über das Social Credit System (SCS) in China und denkbare Parallelentwicklungen in den USA und in Deutschland. Beim SCS handelt es sich um eine Art „Sünden-“ und „Tugendregister“, in dem Bürgerinnen und Bürger in einer Reihe von Großstädten in China in jeder denkbaren öffentlichen und privaten Situation einer Bewertungsmaschinerie ausgesetzt sind. Geht jemand bei Rot über die Ampel, wird er von Webcams erfasst und negativ bepunktet. Ein Highscore ermöglicht Kredite und stiftet Ansehen. Bei negativen Scores werden dem „Delinquenten“ allgemeine finanzielle, soziale wie rechtliche Leistungen, etwa in der Krankenversorgung, verwehrt.

Angesichts dieser dystopiegleichen Totalüberwachung und Übergriffigkeit in die Privatsphäre, die hierzulande eine ganze Reihe von Grundrechten verletzen würden, muss man sich dennoch fragen, was man als Entwicklerin und Entwickler bereit ist, mitzugehen, und wann die individuelle Übernahme von Verantwortung notwendig ist. Denn erst kritisches Denken und verantwortungsvolles Handeln ermöglicht demokratisch legitimierte Freiheit.

Das Forschercamp 2019 erweiterte mit den drei Perspektiven von Ich, Wir und dem Wir und den Anderen die Arbeit aus dem vergangenen Jahr und untermauerte das dort entwickelte Leitbild des LaS3, das beispielsweise „eigenverantwortliches Handeln in Freiheitlichkeit und Selbstbestimmung“ hervorhebt und für ein Miteinander in „offener Kommunikation“ und für „Respekt und Toleranz, Offenheit und Ehrlichkeit“ einsteht.

Laboratory for Safe and Secure Systems

Das Laboratory for Safe and Secure Systems (LaS3) ist ein gemeinsames Kompetenzzentrum der „Ostbayerischen Technischen Hochschule“: ein Verbund zwischen den Ostbayerischen Technischen Hochschulen Amberg-Weiden und Regensburg. Prof. Dr. Jürgen Mottok zeichnet als wissenschaftlicher Leiter verantwortlich. Das LaS3 wurde 2005 gegründet und wurde initial durch die Projektförderung „FHprofUnt“ der Bundesrepublik Deutschland sowie durch das Programm „Strukturimpuls“ des Bayerischen Staatsministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst unterstützt. Das LaS3 sieht sich als Mediator zwischen Wissenschaft und Anwendung: Ziel ist die Verzahnung von anwendungsorientierter Forschung im Bereich der Softwareentwicklung, mit den Anforderungen sowohl mittelständischer Unternehmen als auch der Industrie im ostbayerischen Wirtschaftsraum.

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